Literarischer Spaziergang im Egerner Friedhof am 09.11.2024

Am Samstag, 09. November 2024, lud der Kulturkreis Irschenberg zu einem Literarischen Spaziergang auf dem Egener Friedhof ein. 24 Teilnehmer und Teilnehmerinnen fanden sich zu einer Führung mit Dr. Roland Götz ein.

 Dr. Götz, der gebürtiger Tegernseer und Stellvertretender Direktor des Archivs und der Bibliothek des Erzbistums München ist, führte die Gruppe zunächst in die Friedhofskapelle St. Laurentius. Als Ort des Erinnerns an die Toten ist dieses aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts stammende Beinhaus (sogenanntes Totensakrer) seit seiner Renovierung erst seit kurzem wieder der Öffentlichkeit zugängig. Dr. Götz führte aus, dass die Kapelle zu Ehren der Pestpatrone Sebastian und Rochus erbaut wurde und dass früher im Altarunterbau die bei Begräbnissen aufgefundenen sterblichen Überreste von früher Verstorbenen aufbewahrt wurden.

Bei der anschließend besichtigten Totengedenktafel für Aegid Hessensteiner berichtete Dr. Götz, dass Hessensteiner bis zur Auflösung des Benediktinerklosters Tegernsee im Jahre1803 dort als Mönch gelebt habe, dann in jungen Jahren als Hilfspriester und Missionar in Südamerika gewirkt habe, bevor er ab 1816 bis zu einem Tod 1861, also 45 Jahre lang, als hoch angesehener Pfarrer von Egern im Einsatz war.

Auf der Gedenktafel steht:

"Lebe wohl Du theure Pfarrgemeinde,
Bis wir wieder als Vereinte
Uns im bessern Leben sehen
Und verklärt vor Gottes Throne stehen…"

 "Besondere Beachtung fanden die Grabstätten von Ludwig Ganghofer (1855 - 1920) und von Ludwig Thoma (1867-1921).

Dr. Götz skizzierte Ganghofers Lebensweg: Geboren in Kaufbeuren, Sohn eines Forstbeamten, Studium der Germanistik in München und Berlin, Promotion in Wien.

Ganghofer war schon in jungen Jahren ein äußerst erfolgreicher Schriftsteller ( "Schloss Hubertus"," Der Klosterjäger"). Einige seiner Romane wurden auch verfilmt, wie "Jäger von Fall". Als begeisterter Jäger zog es Ganghofer 1894 von Wien nach München und später an den Tegernsee, wo ihn eine enge Freundschaft mit Ludwig Thoma verband.

Neben der Grabstätte von Ludwig Ganghofer liegt Ludwig Thoma beerdigt.

Dr. Götz skizzierte Thomas' Lebensweg wie folgt: Geboren in Oberammergau, Sohn eines Försters, als Halbwaise eine schwierige Kindheit gehabt ("Lausbubengeschichten" von 1905), Jurastudium, Anwaltspraxis in Dachau, Niederlassung in Tegernsee "Auf der Tuften".

Dr. Götz las aus den traurigen Aufzeichnungen von Thoma anlässlich der Beerdigung seines Freundes Ganghofer vor. An Maidi Liebermann, deren Grabstätte sich an die von Thoma anschließt, schrieb Thoma in einem Brief: "Der Platz daneben (gemeint ist die Grabstätte von Ganghofer) wird mir gehören." 

 Und so kam es auch. Seine Ehefrau Kathinka kaufte den Platz neben Ganghofers Grab.

Dr. Götz führte aus, dass sich Ludwig Thoma zumal in Bayern zeitweise großer Beliebtheit wegen seiner humorvollen und satirischen Beiträge erfreute. Als Redakteur arbeitete er für die satirische Wochenzeitschrift "Simplicissimus", in der er- oft anonym- als Kritiker des Deutschen Kaiserreichs, der Obrigkeit auftrat und im Ersten Weltkrieg als Nationalist gegen Preußen und die Sozialdemokratie wetterte. In der Zeit des Nationalsozialismus hetzte er gegen die Juden. 

Deshalb, so führte Dr. Götz aus, ist Ludwig Thomas Ansehen heute wegen seiner antisemitischen Polemik sehr getrübt, und seit 1990 wird die Auszeichnung mit der Ehrenmedaille "Ludwig Thoma" nicht mehr verliehen.

 Dr. Götz las noch aus einem Brief an die neben Thoma beerdigte Maidi Liebermann (gest:1971) vor, in dem Ludwig Thoma 1904 den Fehler bedauert, sich nicht aktiver um sie bemüht zu haben. Jahre seien "verschenkt" worden.

 Besonders interessant erschien den Zuhörern die Tatsache, dass das Grab des jüdischen Kaufmanns Gustav M. Mahler (1857 - 1929)

in einer Ecke des christlichen Friedhofs angelegt worden war. Als Erklärung teilte Dr. Götz mit, dass G. M. Mahler, der in Rottach wohnte, sich als großen Wohltäter des gesamten Tals erwiesen hatte und man ihm als allseits beliebten Bürger ein ehrendes Andenken ermöglichen wollte. Deshalb löste man das Problem der Bestattung eines Andersgläubigen auf dem christlichen Friedhof, indem vom benachbarten Pfarrersgarten ein Stück für die Grabstätte abgetrennt wurde, der Gedenkstein aber innerhalb der Friedhofsmauern Platz gefunden hat.

 Nach noch einigen weiteren Grabbesichtigungen, wie der Grabstätten des Kammersängers Leo Slezak (1873 - 1946) und seiner Frau Elisabeth (1874 - 1944) kehrte die Gruppe des Irschenberger Kulturkreises im nahegelegenen Mesner-Gütl, wo uns ein eigener Raum reserviert war, zum Mittagessen ein.

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