Jüdische Spuren in Miesbach - Führung mit Alexander Langheiter am 23.07.2022

Im letzten Jahr konnte jüdisches Leben in Deutschland auf eine 1700jährige Geschichte zurückblicken, die im Rahmen eines bundesweiten Themenjahres beleuchtet wurde.

Das Festjahr hatte der Miesbacher Stadthistoriker Alexander Langheiter zum Anlass genommen, sich auch in Miesbach nach Spuren jüdischer Bürger umzusehen und zur jüdischen Geschichte in Miesbach zu recherchieren.

Der Kulturkreis Irschenberg hat das jüdische Festjahr 2021 aufgegriffen und mit einjähriger Verspätung (wegen Corona) am 23. Juli 22 zu einer jüdischen Spurensuche in Miesbach mit Alexander Langheiter eingeladen.

16 Personen waren der Einladung gefolgt und zunächst bei leichtem Regen zum Treffpunkt Miesbacher Rathaus gekommen. Der Griff zum Schirm hatte sich fast nicht gelohnt, denn bereits nach wenigen Minuten hatte der Regen aufgehört, so dass die Gruppe bei angenehmen Temperaturen den Ausführungen Langheiters folgen konnte.

Der Start des Rundgangs im Rathaus musste wegen einer Hochzeit verlegt werden, sodass Langheiter als 1. Station die Evangelische Kirche wählte, wo er zunächst über seine Recherchen berichtete.

Zu den jüdischen Miesbacher Bürgern gehörte Dr. Richard Gans, ein angesehener Miesbacher Bürger mit jüdischen Wurzeln, der als Sohn einer reichen Industriellenfamilie aus Frankfurt nach dem 1. Weltkrieg nach Miesbach gekommen und das damals heruntergewirtschaftete Schloss Wallenburg gekauft hatte, es wieder erneuerte und sich sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Bereich der Stadt Miesbach einsetzte und sich als Wohltäter einen Namen gemacht hatte, erzählte Langheiter. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ließ der damalige Gauleiter Giesler den inzwischen zur Evangelischen Gemeinde gehörigen Dr. Gans jedoch als Juden einstufen und ihn 1943 nach München deportieren. Dr. Gans wurde nach dem Zwangsverkauf von Gut Wallenburg wieder freigelassen, starb aber kurz darauf unter Hausarrest. Seine Tochter Beate, verheiratete von Kameke, erhielt das Gut nach den Kriegsjahren zurück, das noch heute ihr Sohn Kartz von Kameke leitet.

Auch der versteckte Hof in der Oberen Wies, die alte Hofstelle Voglsang, war jahrelang das Zuhause einer Familie mit jüdischen Wurzeln: Der Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy, Verwandter des gleichnamigen Komponisten, war in den 30er Jahren nach Miesbach gezogen.

Miesbach wurde 1918 nicht nur zur Stadt erhoben, sondern zählte nach Ausbruch des 1. Weltkrieges als Garnisonsstadt zu einem beliebten Wohnort von hohen, auch jüdischen Offizieren, die unter anderem im heutigen Waizmann-Haus untergebracht waren.

Langheiter erzählte beim nächsten Halt am Stadtplatz, dass sich Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Gaststätten befanden, die alle – trotz der großen Konkurrenz - ein gutes Auskommen hatten, da sich Miesbach wegen seiner idealen Lage zum beliebten Aufenthaltsort für Sommerfrischler entwickelt hatte. Zu den berühmten Miesbacher Gästen oder Zweitwohnbesitzern gehörten unter anderem: Paul Heyse, der zu seiner Zeit zu den berühmtesten deutschen Schriftstellern gehörte und auch eng mit dem bayrischen Königshaus verbunden war, Karl Freiherr von Eichthal, u.a. Inhaber der Zeche Penzberg, war mitverantwortlich für die Erschließung des Kohlebergbaus in Miesbach. Er starb bei einem Urlaubsaufenthalt im damaligen Hotel Waitzinger.

Langheiter erzählte, dass auch Albert Einstein, dessen Eltern beide aus jüdischen Familien stammten, als Kind in Miesbach verweilte.

Am ehemaligen Moserhaus, damals Domizil der Druckerei Mayr und Herausgeber des Miesbacher Anzeigers, berichtete Alexander Langheiter über die unrühmliche Geschichte von Ludwig Thomas antisemitischen Artikeln unter dem damals faschistischen Verlagsleiter des Miesbacher Anzeigers, Klaus Eck.

Weiter ging der Spaziergang vom Stadtplatz wieder hinunter in die Kirchgasse zum großen Fresko am Schwabhaus, das an die Habererschlacht Ende des 19. Jh. erinnert. Der jüdische Rechtsanwalt Max Bernstein aus München, hatte sich damals bei dem Aufsehen erregenden Prozess gegen die Haberer als Vertreter der Angeklagten eingesetzt.

Letzte Station des Rundgangs war der Rathausplatz, wo Ausführliches über die Geschichte der damaligen Kaufmannsdynastie Paul Sundheimer und der schwierigen Zeit während des SA-Regimes zu erfahren war. Das Kaufhaus Sundheimer, gegründet von Sigmund Sundheimer, in den 20er Jahren fortgeführt von dessen Sohn Paul Sundheimer, ist den meisten Miesbachern in bester Erinnerung. Seit 1933 musste die Paul Sundheimer als Halbjude um Firma und Familie hart kämpfen. So wurde das Kaufhaus in Miesbach von der örtlichen SA geschlossen, konnte aber nach zähen Verhandlungen wieder unter dem Namen Helbig & Co. wieder eröffnen. Erst nach dem Krieg, 1945 wurde das Kaufhaus wieder von Paul Sundheimer unter seinem Namen fortgeführt und 1970 an seinen, in Miesbach angesehenen Sohn Fritz Sundheimer übergeben. Paul Sundheimer engagierte sich fortan aktiv für das kulturelle Leben der Stadt Miesbach und hielt unter anderem in der Volkshochschule Vorträge über die Situation deutscher Juden und das Verständnis zwischen Juden und Christen.

Zum Abschluss führte Alexander Langheiter ins Foyer des Miesbacher Rathauses, wo er noch zu den verschiedenen Wandbildern Interessantes über die Stadt Miesbach und ihre Bergwerksgeschichte erzählte.

Mit viel Beifall bedankten sich die Teilnehmer des Miesbacher Rundgangs bei dem engagierten Miesbacher Stadthistoriker Alexander Langheiter für zwei kurzweilige, hochinteressante Stunden zum Thema „Jüdisches Leben in Miesbach“.

Text: Christine Neumann, Fotos: Michael Neumann, Klara Wude

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